Sollte es für Noir eine Steigerung geben, dann ist das der Noiret: „Tiefenscharf“ von Roland Spranger.

Da sind Drogendealer Max und seine seriensüchtige Freundin Kira auf der einen, Videojournalist Sascha und seine schwangere Freundin Lydia auf der anderen Seite. Max vertickt sein Crystal Meth auch an Nazis (ein feiner Zug des Autors, dem Begriff der Bewusstseinserweiterung eine weitere Nuance zu verleihen), und Sascha hat die Schnauze voll von einem Job, der dem des Journalisten so fern ist wie unser Heimatminister einem guten Gefühl von Zuhause.

Die Handlung lässt sich nicht nacherzählen, so sehr die Umschlagtexte auch bemüht werden, denn hier ist sie tatsächlich Aktion. Und was für eine. An ihrem Ende bleibt der Nachgeschmack, mit genau dem Typen mitgegangen zu sein, vor dem uns unsere Eltern immer gewarnt haben. Der uns in Abgründe blicken lässt und auf den Bodensatz einer Gesellschaft, in der ein Like so wichtig ist, wie es früher die verheißungsvoll hinterlassene Telefonnummer auf einer Zigarettenschachtel war; einer Gesellschaft, in der sich mehr Gaffer als Ersthelfer an einer Unfallstelle einfinden und die von der Wurzel bis zur Krone gedopt scheint. Im Buch wird zwar politisch korrekt geraucht, aber spätestens die erste Szene in Saschas Redaktion spiegelt die perverse Welt, in der wir leben, und das alles in einer „Landschaft, die so freundlich ist, dass man in sie kotzen möchte“.

(Gern wüsste ich, ob man sich tatsächlich selbst aus Kabelbindern befreien kann, mit denen die Leute in Serien dauernd gefesselt werden. Aber das ist auch die einzige Frage, die nach der Lektüre offen bleibt.) Ein peitschender Soundtrack bestimmt das Lesetempo und lässt einen À bout de souffle zurück, wie im  gleichnamigen Film Noir. Großes Kino.

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Roland Spranger

Tiefenscharf

Polar Verlag

Broschur

ISBN 9783945133590

18,– € [D], 18,50 € [A]

 

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