So ein Blog ist wie ein Goldfisch im Aquarium. Er steht dekorativ in der Welt, aber der Fisch darin will gefüttert werden.
Auch die Fische in meinem 240 l Aquarium Typ „Juwel“ wollen gefüttert werden. Dabei sind sie so dröge gegenüber allem, was um sie herum vorgeht, dass mir ihr Anblick YingYang in Fischform ist.
Im Aquarium ist die Welt noch in Ordnung – oder sie war es nie. Dort wird nicht gehamstert, sondern gefressen, was der Futterspender reinfallen lässt. Für meine Fische ist immer Sonntag, Homeoffice und kontaktfreie Nähe. Sie scheißen ohne Klopapier und teilen sich kein (mir) bekanntes Gen mit dem gemeinen Hamsterhamster. Den Rat, alle 8 Minuten etwas zu trinken, erfüllen sie sekündlich. Ich folge ihm auch, habe das von chinesischen Ärzten empfohlene Wasser jedoch mit Rotkäppchensekt ersetzt und grinse schon morgens um 10 schön debil vor mich hin. Gegenseitig anstecken tun sich meine Fische übrigens nur zum Spielen und Jagen.
Auch ein dekorativ in der Welt stehender Blog will gefüttert sein. Der vorletzte Eintrag ist von Silvester. Was haben wir uns da alle gewünscht? Die Intellektuellen den Weltfrieden, wir weniger hellen Kerzen am Leuchter, dass alles so weiter geht, eventuell besser wird, wir aber gesund bleiben. Hammer! Wie sorglos und routiniert dieser Wunsch auf jede Geburtstagskarte gepappt wird. An jede Standartgratulation am Telefon oder dem – damals möglichen – Händedruck oder gar Umarmung bei einer – damals möglichen – Feier.
Anfangs dachte ich noch, es genüge, das C-Wort zu vermeiden, um auch den biologischen Irrsinn zu vermeiden, der uns nun in Schach hält. Denn das Wort erwähnen heißt, es manifestieren, heißt, es kriegen. Das war mit der AfD genauso. Ihr PR-Team waren wir alle, die permanent das A-Wort in den Mund nahmen, und irgendwann hatten wir den Salat und die AfD in den Parlamenten.
Meine Fische zum Beispiel manifestieren permanent, dass sie Futter haben wollen. Ich sitze neben ihnen an meinem Schreibtisch, und mein nachdenkliches Kratzen am Ohr deuten sie als Aufbruch zum Futterautomat, um sich dort sogleich im Kreis zu versammeln. Es funktioniert. Ich kann sie nicht sich versammeln sehen und ihnen dann nichts geben. Tue ihnen den Gefallen, drücke aufs Knöpfchen, und das Futter rieselt.
Ich bin beim B. B wie Richard Brautigan. Ein Name wie Donnerhall, wenn man Forellenfischen mag und die Spektrum-Reihe, die von 1968 bis 1993 bei Volk und Welt erschien.
Dabei ist es seine „Rache des Rasens“*, die bisher verhindert hat, dass ich vom A meiner coronaischen Büchersortieraktion nur bis zum B gekommen bin. In unglaublichen 3 Wochen, in denen es galt, am eigenen Roman weiterzuschreiben, habe ich mich in denen anderer festgelesen.
Und keinen Moment bereut. Kurzfassung:
Großmutter ist Schnapsbrennerin und schüttet die übriggebliebene Maische an einen Birnbaum. Während sie im Keller fröhlich weiterbrennt, machen sich ihre Gänse über die Maische her. Betrunken steckt die eine den Kopf in die Maische und vergisst, ihn wieder herauszuziehen. Eine andere schnattert wie verrückt und versucht, auf einem Bein zu stehen und die W. C. Fields-Parodie eines Storchs zum Besten zu geben. Schließlich fallen alle um und liegen auf ihren Schwanzfedern. Großmutter findet sie vor und hält sie für tot. Pragmatische Frau rupft das Vieh und legt alle auf einen Haufen. Als der Protagonist mit seinem Cadillac in die Hofeinfahrt einbiegt, erwachen die Gänse, kommen ihm nackt entgegengetorkelt und glotzen ihn aus großen Augen an. Da hat er das Auto gegen die Hauswand gesetzt.
So kommen Beulen am Auto zustande, und ich hab‘s noch nirgendwo umwerfender gelesen. So kann ich nicht arbeiten.
Immer noch beim B verharrend,
Euer
Spirit of Kasimir
*Richard Brautigan. Die Rache des Rasens. Geschichten. Rowohlt 1993; Original: Revenge of the Lawn/Stories 1962-1970. Simon and Schuster, NYC 1971.
sehr schön 🙂 Habe sehr gelacht und das tut gut. Liebe Grüße Tinka