The Blue Hour – Ein Essay zur Zeitumstellung

Was mach ich heute Nacht um 3 Uhr früh mit dieser Stunde, in der die Zeit rückwärts läuft, ganze 60 Minuten lang, jede davon 60 Sekunden lang, und ich mittendrin?

TheBlueHour.Korsika(c)phm.2011 (photo – the blue hour: corse © phm.2011)

Laufe rückwärts und empfinde als Geschenk, was ich doch nur verliehen hatte und nun zurückbekomme.

Das ist schon mehr als ich gewöhnt bin. Und ich bekäme diese Stunde wohl auch nicht zurück, wenn einer einen Vorwand erfände, nur 80 oder gar 50 Prozent davon zu erstatten, da ich ja auch selbst den einen oder anderen Vorteil davon hatte, von dieser Stunde, die ich vor einem halben Jahr einfach so weggegeben habe.

Wie in der Liebe, in der du gibst und nur das zurück bekommst, was der andere für angemessen betrachtet, angemessen an die eigenen Maßstäbe, die längst nicht die deinen sind. Wie in der Arbeit, in der du nur das honoriert bekommst, was der andere sieht und ummünzen kann in das Geld, das er dir für die Miete und das Essen überweist. Wie in der Freundschaft, in der dir der andere immer nur geben kann, wenn er gerade selbst nicht allzu viel braucht. Wie bei der Versicherung, die nur einen Teil ihres Versprechens einlöst, weil eigentlich du selbst der Schaden bist. Wie bei der Bank, die dir den Regenschirm reicht, solange die Sonne scheint und ihn dir nimmt, sobald der erste Tropfen fällt. Wie im Leben, in das du hineinbutterst, weil es geschmiert laufen soll, und du nur zurück bekommst, was dank der Fliehkräfte aus dem Hamsterrad für dich abfällt.

Ich kann sie zum Denken und Fragen nutzen, diese Stunde, kann sie in den Tag vorziehen und allerlei Nützliches tun: zwanzig Petitionen unterschreiben oder zwei Briefe; meine Wohnung ausgiebiger putzen als sonst, dazu Daliah Lavis „Wär ich ein Buch im Leben“ voll aufdrehen und ein solches, das schon ewig auf dem Nachttisch lümmelt, endlich mal zu Ende lesen.

Ich kann sie, diese geschenkte Stunde, aber auch einfach da lassen, wo sie hingehört: in der Nacht, 3 Uhr früh, in dieser wunderbar blauen Zeit. Ich kann sie in mich aufnehmen, sie verdauen und dann in einer neuen Zeit wach werden, in der die Uhren und die Menschen hoffentlich wieder richtig ticken.

6 Kommentare zu “The Blue Hour – Ein Essay zur Zeitumstellung

  1. Inge Neubert-Boonen sagt:

    Liebe Partricia, ja, ich würde auch gerne mit Euch und mit meinem Sohn Johannes neu erwachen und das Leben neu beginnen mit dieser geschenkten Stunde, wenn nicht möglich, dann vielleicht diese eine sogesagte geschenkte Stunde intensiv zusammen sein wollen. Du weisst, ich lese Deine Geschichten wahnsinnig gerne. In allertrübster Stunde kannst du mich zum Lachen bringen, heiterst mich auf und kannst meine immer wieder einnickende Fantasie erregen, denn Deine Gedankengänge und Ideen sind grenzenlos aufregend. Genau wie im Buch: „Der Kältetod“. Guter Titel und Inhalt, der Schauer lief mir nämlich beim Lesen oftmals kalt über den Rücken hinunter. Ich kaufe Dir einen kleinen Teil Deiner Fantasie ab und bin dabei überzeugt, dass Du die Leere sofort wieder füllen könntest. Mach’s gut liebe Patricia und lass Dich herzlich grüssen von Inge Boonen

    • Liebe Inge, allein für Zeilen wie diese von Dir lohnt sich die Mühe (denn die steckt dahinter) des Schreibens. Ich bin in Gedanken bei Dir und bei Jacques, denn auch er wird mich mein Leben lang begleiten. Deine Patricia

  2. Gudrun Jänisch sagt:

    Liebe Pat, ich habe die Stunde vorzeitig genutzt und in den wunderschönen vollen Mond geschaut und geträumt,,, Möge niemals sein Licht verlöschen, und möge er niemals seinen Zauber, seine Inspiration auf uns Menschen verlieren. Ich bin sicher, liebe Pat, er hat dich auch schon oft inspiriert – deine wunderbaren Geschichten zeigen es. Danke dir, liebe Pat und danke auch dir, du lieber Mond.
    Lg gu

  3. Danke, meine Gu, den habe ich auch gesehen. Und gespürt 😉 – Kein Wunder, wenn der runde Kerl da oben Ozeane von Ebbe bis Flut bewegen kann, dann auch meine 60 Kilo –
    Deine P.

    • Inge Neubert-Boonen sagt:

      Liebe Patricia, zu Deinen bewegenden Worten ist mir ein Gedicht eingefallen. Es wird in der Dezember/Januar Ausgabe von meiner Kirchenzeitschrift „Botschaft“ erscheinen. Ich schicke es Dir per mail, weil ich es hier in dieses Fach nicht hinein kopieren kann. Sorry.
      In Liebe Deine Inge

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